Taman Negara “Die Grüne Hölle”

Bis dato nichts weiter als eine Markierung auf der Landkarte, reifte der Gedanke eine Woche im aeltesten Waldgebiet (130 Millionen Jahre) der Erde zu verbringen und dabei gleich noch den hoechsten Berg West- malaysias zu besteigen, in Kuala Lumpur zum festen Vorhaben. Zudem war das die perfekte Gelegenheit nun endlich mein Zelt zum Einsatz zu bringen, welches bis dahin nur ein Mal zum Einsatz kam und ich dabei auch noch (zumindest gefuehlsmaessig) beinahe erfroren waere :-) Diesmal ging es mit dem Bus ins Landesinnere, vorbei an
Oelpalmplantagen und mit dem Boot ueber den Fluss Sungai Tembeling ins kleine Dschungeldoerfchen Kuala Tahan. Der erste Eindruck, eher ernuechternd. Viele Touristen, viel Laerm, ein schwimmendes Restaurant am anderen. Auch erste Bemuehungen Mitstreiter fuer die Tour zu finden, um sich die Kosten fuer den Guide zu teilen und sie somit bezahlbar zu machen, scheitern.
Das Wochenende geht vorbei und mit den Touristen, meist Wochenedausfluegler, verschwindet auch die Hektik. Eines Abends sitze ich auf der Veranda meines Hostels und schreibe Tagebuch. Es regnet, Wassertropfen haemmern auf das mit Wellblech verkleidete Dach. Grillen bestimmen neben vereinzelt startenden Motorboten die Geraeuschkulisse im Hintergrund. Ein junge singt seinen Geschwistern mit gedaempfter Stimme Verse aus dem Koran vor. Sie schlafen ein, alles wirkt friedllich. Ein Moment, der mir sehr stark in Erinnerung geblieben ist.
Ich habe mittlerweile viele Leute getroffen, witzigerweise eine Bekanntschaft aus Peru, Susi, eine sym- pathische Estlaenderin, mit der ich Stunden in einer dunklen Fledermaushoehle ausgeharrt habe, um die Tiere im Flug auf Foto zu bannen und viele mehr. Nur niemanden, der diese Tour machen moechte. Obwohl es mir zunehmend gefaellt, laueft die Zeit davon. Schliesslich bin ich nur aus einem Grund hier her gekommen, eine Abreise ohne den Trek gemacht zu haben, kam also nicht in Frage. Ich habe mich so sehr in dieses Vorhaben verrannt, dass ich schliesslich erste Vorbereitungen treffe, um die Tour alleine zu starten und zu gucken wie
weit ich komme, trotz bestehender Guidepflicht.
Wenn der Prophet nicht zum Berg kommt, muss der Berg eben zum Propheten :-)
Mein Vorhaben hat sich herumgesprochen und so treten kurz nacheinader Yann (32 J.,Franzose) und Jack (19 J., Englaender) an mich heran. Wir fackeln nicht lange. Einen Tag Vorbereitung (Lebensmittel, Ausruestung fuer eine Woche besorgen), Briefing mit dem Guide und eine Nacht spaeter, sitzen wir also tatsaechlich allesamt im Boot und fahren zum Ausgangspunkt. Vor uns knapp 50 km Dschungel, der Berg Gunung Tahan (2187m) und wieder zurueck. Eine nicht ganz einfache aber eigentlich gut machbare Tour. Eigentlich….

Tag 1
Wir laufen los, besser gesagt rennen los. Unser Guide scheint es eilig zu haben. Als haetten sie es geahnt, ermahnen Yann und Jack ihn mit den Kraeften zu hauhalten.  Die erste Flussueberquerung laesst auch nicht lange auf sich warten. Wir muessen unsere Rucksaecke abnehmen und schultern. Das Wasser ist an manchen Stellen huefttief und zusammen mit der Stroemung kostet es viel Kraft die Balance zu halten. Jack hat sichtlich Probleme und faellt bereits auf den ersten Metern samt Rucksack ins Wasser. Am Ufer heisst es die ersten Blutegel zu entfernen. Ja, ihr lest richtig. Blutegel :-) Zwar hatte ich schon darueber gelesen, dass es besonders in diesem Dschungel von diesen Fiechern nur so wimmelt, eklig ist es dann schon, wenn man mit
Erschrecken feststellt wie schnell und zielstrebig sie mit ihren Saugnaepfen an einem hochklettern, um eine geeignete Stelle zum Beissen zu finden. Weiter geht es einen Flusslauf hinauf und schliesslich rein ins Dickicht. Die Befuerchtung der anderen bestaetigt sich. Es dauert nicht lange und Nusi unser Guide faengt an zu humpeln. Ausgerechnet er, macht alle 10 Meter Halt und massiert sich seine von Kraempfen geplagten Oberschenkel. Mir reicht es irgendwann. Ich laufe voraus, um noch vor Einbruch der Dunkelheit im Camp zu sein. Ausserdem haben die letzten Tage gezeigt, dass es jeden Abend relativ zur gleichen Zeit anfaengt zu regnen. Ein Pfad, der wie von Elefanten getreten aussieht, erregt meine Aufmerksamkeit. Ich folge ihm eine Weile, in der Hoffnung eines der seltenen Tiere zu Gesicht zu bekommen, beschliesse dann aber mzukehren, bevor ich mich zu sehr im verlaufe. Zurueck auf dem eigentlichen Pfad, treffe ich wieder auf die anderen. Yann traegt nun zusaetzlich zu seinem eigenen Rucksack, nun auch noch den des Guides. Einfach aecherlich. Das Camp ist zum Glueck nicht mehr weit. Wir bauen die Zelte auf, holen Wasser an einem kleinen Rinnsal etwas unterhalb des Camps und beginnen mit der Zubereitung des Abendessens. Von unserem Guide keine Spur. Er hat sich ohne ein Wort, ohne ein Dankeschoen, fuers Rucksack tragen und Wasser holen in sein Zelt verzogen und das Angebot zusammen mit uns zu essen abgelehnt. Es ist dunkel geworden und es hat begonnen zu Regnen. Zu dritt sitzen wir unter dem Vordach von Yanns und Jacks Zelt, essen an unserem ersten Abend im Dschungel Instant Noudle Soup und legen uns schliesslich schlafen.

Tag 2
In der Nacht habe ich so gut wie nicht geschlafen.
1. falsche Annahme: Urwaldboden nicht perse weich ist! Gut, ich habe mein Zelt auf Wurzeln errichtet, doch die waren zuvor nicht zu sehen und einen anderen Platz fuers Zelt fand sich auch nicht. Es gab gerade mal eine eine Position, in der ich halbwegs schmerzfrei liegen konnte. Aus Kostengruenden hatte ich auf den Kauf einer Isomatte verzichtet :-(
2. falsche Annahme:
Die Geraeuschkulisse alles andere als angenehm ist. Besonders ein Tier, ich schaetze mal eine Grillenart,  erzeugt Tag wie Nacht ununterbrochen einen ohrenbetauebenden Laerm, als wuerde jemand mit voller Kraft in eine schrille Pfeiffe pusten.
Das ist erst der Anfang der “Liste der falschen Annahmen ueber den Dschungel” :-) Gut, aber was ist nun mit Nusi, unserem Super-Guide? Er kann nicht weiter, hat aber wohl bereits am Vortag Ersatz angefordert.
Wir fruehstuecken also in Ruhe, bauen die Zelte ab und sammeln vorsichtig unsere noch immer nassen Klamotten ein. Vorsichtig deshalb, da der Geruch unserer Hautausdeunstungen nicht nur Schmetterlinge, sondern auch hunderte von Bienen angelockt hat. Yann spricht geradezu liebevoll mit allem, was herum kreucht und fleucht :-) Hoert sich witzig an, half mir jedoch trotz der eigentlich erschreckenden Anzahl an Bienen ruhig zu bleiben. Aus Nusi wird Midi, Guide Nr. 2. Er spricht kaum englisch, scheint aber ganz nett zu sein. Durch die Aktion sind wir zwar spaet dran, doch koerperlich noch voll im Saftt, haengen sogar kurzfristig auch Midi ab. Beim ersten kurzen Stop, zeigen sich erste Missstaende bezueglich der Fuehrungsqualitaeten unseres neuen Guides auf!! Nichtsahnend legen wir unsere Rucksaecke auf einer Lichtung ab und erfrischen uns am Fluss. Als es wieder los geht, haben Jack und ich ein Problem. Bienen, denen ich am Morgen noch so wohlgesonnen war, haben unsere Rucksaecke kurzerhand zum Bienenstock umfunktioniert. Keine Warnung und keine Hinweis vom Guide. Der setzt stattdessen unbeirrt seinen Weg fort und verschwindet im Wald. OK, auf drei. Jack und ich rennen los, schnappen die Rucksaecke, schmeissen sie ein paar Meter weiter hin, setzen sie auf und rennen davon. Dumm nur, dass wir kurz darauf durch einen Fluss muessen, die Bienen uns folgen und einige Male stechen. Ab hier beginnt es dubios zu werden, denn selben Fluss durchqueren wir an diesem Tag noch drei Mal. Der erste Guide versicherte mir noch am Morgen, dass wir auf dieser Etappe durch keinen Fluss muessen. Yann gegenueber auessere ich die Vermutung, dass wir dem Guide zu schnell sind und er, der ohne grosse Muehe und viel schneller durch den Fluss kommt als wir, uns nur bremesn und muede machen moechte. Gar nicht so falsch, wie sich auf dem Rueckweg noch
herausstellen wird. Wir sind froh, das Camp noch vor Sonnenuntergang zu erreichen. Gewaschen wird sich im Fluss, aus welchem wir auch unser Trinkwasser beziehen. Laut Guide ohne Probleme trinkbar, doch angesichts der braunen Faerbung des Wassers bin ich mehr als froh, dass Yann und Jack Tabletten zur Wasserentkeimung mit sich fuehren. Anfangs noch recht offen, entwickelt sich auch Midi zum Einsiedler und separiert sich von uns. Kein Interesse am gemeinsamen Essen, keine Hilfestellung, keine Infos zur Flora und Fauna, keine Anweisungen fuer den Ablauf des naechsten Tages.

Tag 3
Nicht schlauer geworden, durch das Laub aber auch nur schwer ersichtlich, fand ich mich beim Schlafenlegen abermals auf Wurzeln wieder. Albtraeume und Liegeschmerzen reissen mich staendig aus dem Halbschlaf. Diesen Morgen bin ich schon nicht mehr so gut gelaunt. Nicht Moskitos sondern zwei Naechte ohne Schlaf, beginnende Schmerzen in den Knieen und zu wenig Wasser bei tropischer Hitze und gleichzeitiger koeperlicher Belastung, zeichnen mich bereits am dritten Tag. Zu allem Uebel stoesst Yann auch noch unseren einzigen Luxus, das kochende Kaffeewasser um, welches aufgrund unseres kraenkelnden Gas- kochers geschlagene 20-30 Min zum kochen benoetig und zudem wertvolle Fluessigkeit bedeutet. Wieder geht es durch den Fluss. Diese Etappe ist hart. Nahe am Ufer entlang, gilt es mit schwerem Gepaeck rutschige Felsen, umgestuerzte Baeume und unzaehlige kleinere Flusslaeufe zu ueberqueren. Ich fuehle mich fiebrig, brauche mehr Wasser, als mir zur Verfuegung steht. Die lang ersehnte Pause faellt aus Angst vor den Bienen recht kurz aus. Was wir nicht wussten und unser “Guide” uns nicht mitzuteilen gedachte war, dass dies die letzte Moeglichkeit bis zum naechsten Camp sein wuerde, um unsere leeren Wasserflaschen aufzufuellen. Noch nicht einmal die korrekte Zeit und Beschaffenheit des naechsten Abschnitts hat er uns gesagt.  Aus den angegebenen zwei bis drei Stunden wurden fuenf. Steil, zum Teil an Seilen kletternd bergauf. Ohne Wasser, kein Ende in Sicht. Aufgrund immer staerker werdenden Schmerzen in den Knieen, beschliesse ich bereits hier die Option zu nutzen die Tour ueber die Rueckseite des Berges, von wo aus eine Zugverbinung zurueck besteht, abzukuerzen. Diese war eigentlich fuer den Fall gedacht, falls wir zu lange brauchen, da Jack direkt im Anschluss an die Tour einen Flug zu erwischen hat. Yann, der bis dahin
keine Spur von Emuedung zeigt und Jack, der ebenfalls zu kaempfen hat, sind eineverstanden. Doch wir haben die Rechnung ohne Midi, unseren “Guide” gemacht. Als wir ihm unsere Entscheidung waehrend einer Pause mitteilen, macht er diese Option mit den Worten “Try it (versucht es)” und einem Grinsen im Gesicht,  mit einem Schlag zunichte. Weder kannte er den Weg ueber die Rueckseite, noch haette er die Mittel gehabt, von dort aus eine Transportmoeglichkeit zur naechsten Stadt anzufordern. Da sassen wir also, voelllig dehydriert, beraubt der Moeglichkeit den Weg abzukuerzen, kraftlos, wissend die gesamte Strecke in
kuerzerer Zeit zurueck laufen zu muessen, unwissend darueber, wie weit es noch ist. Aber wir koennen nichts machen. Nach weiteren schier unendlichen Metern bergauf, erreichen wir endlich das Camp. Fuer mein Zelt, das ohnehin nur noch ein nasser Lappen war, fand sich kein geeigneter Platz, also haben wir es zum Gepaeckzelt umfunktioniert und mich im Zelt von Yann und Jack einquartiert. Heute war ich zu Muede, um auch mich auch nur ansatzweise an etwas zu beteiligen. Nach dem Essen, Instant Noodels mit in Chilisauce eingelegtem Thunfisch, und einer Schmerztablette bin ich zusammengekauert am Rand des Zeltes eingeschlafen. Wer glaub das war es, irrt sich. Es fing an zu regnen. Erst ueber dem Zelt, dann im Zelt. Aufgewacht bin ich, weil sich eine Pfuetze an meinem Fussende gebildet hat. Das Camp liegt bereits auf 1200m. In der Nacht ist es merklich kaelter und die waermende Funktion meiner Socken, die nun nass waren, hatte sich hiermit erledigt.
3. falsche Annahme:
Nicht Moskitos oder Blutegel, sondern banale Dinge wie genuegend Schlaf und Wasser bilden die groessten Probleme.

Tag 4
Ich scheine in dieser Nacht besser geschlafen zu haben, denn bis auf die Schmerzen in den Knieen, bin ich wieder zu Scherzen aufgelegt und bereit fuer den Aufstieg. Auch Jack, der wegen der staendig nassen Schuhe Probleme mit seinen Fuessen bekommen hat, geht es heute besser. Ziel fuer diesen Tag, Aufstieg, Abstieg und zurueck zum letzten Camp. Aufgrund Midis Zeitangabe fuer den Aufstieg von ca. drei Stunden, lassen wir es ruhig angehen. Scherzend und lachend, bewaeltigen wir die ersten Hoehenmeter, recht schnell.
4. falsche Annahme:
Der Urwald ist nicht flach und steigt erst zum Berg hin an, sondern es geht staenig rauf und runter. Hat man ein paar hundert Hoehenmeter bewaeltigt, geht es wieder ein paar hundert Meter runter und das einige Male.
Nach drei Stunden erreichen wir ein Plateau mit wunderschoenem Ausblick. Der dichte Regenwald ist kleineren Straeuchern und Bueschen gewichen. Die Sonne scheint mit voller Kraft, nur ein paar kleine weisse Woelkchen unterbrechen den ansonsten durchgaengig, tiefblauen Himmel. Ist das der Gipfel?? Falsch gedacht. Hier aendert Midi seine Zeitangabe ploetzlich, zeigt in die Ferne auf einen undefinierbaren Punkt und erweitert sie um drei Stunden. Anlass fuer uns ueber einen Abbruch zu beratschlagen. Es ist 12:00 Uhr. Das hiesse also wir waeren erst Nachmittags auf dem Gipfel und muessten teilweise in voelliger Dunkelheit
zuruecklaufen. Wir haben weder Essen dabei, noch hat uns Midi gesagt, dass wir unsere Stirnlampen mitnehmen sollen. Ausserdem muessten wir eine weitere Nacht im gleichen Camp schlafen, wodurch unsicher wuerde, ob wir rechtzeitig zurueckkommen, damit Jack seinen Flug erreicht. Wir laufen weiter. Wir durchqueren ein Sumpfartiges Gebiet und stecken teilweise bis zu den Knien im Schlamm. Meine Kraefte schwinden merklich. Wir sind seit guten zwei Stunden wieder unterwegs. Ploetzlich treffe ich auf Jack. Er sitzt alleine auf einem Baumstumpf. Midi unser “Guide” hat ihn einfach dort sitzen gelassen und ist weitergelaufen, obwohl Jack ihn gebeten hatte auf Yann und mich zu warten, um zu besprechen, ob wir nun endgueltig abbrechen sollen. Der Gipfel ist zwar in Sicht, doch ob es noch Sinn macht ihn zu besteigen, ist fraglich. Yann stoesst dazu und ist ebenfalls fassungslos ueber Midis verhalten. Mein Ehrgeiz verbietet mir eigentlich, ein Ziel, das auch noch quasi vor Augen liegt abzubrechen, doch an diesem Punkt haben Yann und Jack recht. Sch…. auf den Gipfel. Wir laufen zurueck. Erst eine halbe Stunde spaeter, taucht Midi wieder hinter uns auf, sichtlich verwirrt, gar sauer und verstaendnislos ueber unsere Entscheidung. Von hier an wart er nicht mehr als ein Schatten, der uns folgte oder stillschweigend vorauseilte. Gegen Abend, wir sind noch nicht einmal in der Naehe des Camps, faengt es an, wie aus Eimern zu giessen. Der schlammige Weg verwandelte sich blitzschnell in einen Sturzbach, das Wasser laeuft nur so an mir herunter. Ich bin sehr langsam, da meine Kniee mittlerweile unertraeglich schmerzen. Jack und Yann sind schon voraus, in er Annahme, das Midi bei mir bleibt. Tat er auch. Fuer kurze Zeit. Schliesslich bin ich alleine. Zwei Mal wird es brenzlich. An einer Stelle bricht mir der Weg unter den Fuessen weg und einmal verliere ich beim Abseilen beinahe den Halt am glitschigen Seil. Ein Sturz, ein gebrochenes Bein, haette fatale Folgen. Hilfe waehre fruehesten in 2 Tagen zu erwarten. Doch dann passiert etwas, fuer was sich der Aufstieg, vielleicht sogar die ganze “Tor” Tour fuer mich persoenlich gelohnt hat. Ich erreiche eine Anhoehe, als der Regen fuer einen Moment nachlaesst und den Blick auf ein atemberaubendes Urwaldbergpanorama freigibt. Der Wald strotzt nur so von sattem Gruen, im Kontrast dazu die dunkelgraue, tiefhaengende Wolkendecke, die nicht nur von einem, sondern gleich zwei farbenpraechtigen Regenboegen durchzogen ist. Zwar traue ich mich nicht die grosse Kamera, die ohnehin schon mehr als feucht ist rauszuholen, doch die kleine tuts fuer eine Momentaufnahme auch. Sichtlich beschwingt, durch dieses Ereignis, faellt der Rest des Abstiegs nicht mehr ganz so schwer. Der Regen meint es gut mit uns, denn er macht gerade so lange eine Pause, dass genuegend Zeit bleibt das Zelt zu trocknen, notduerftig abzudichten und Essen zu kochen. Den Gipfel haben  wir also nicht erreicht aber das ist in Ordnung. Keiner ist enttaeuscht. Viel wichtiger ist jetzt rechtzeitig zurueck zu kommen.

Tag 5
Vor uns liegt eine Strecke, fuer die wir auf dem Hinweg vier Tage gebraucht haben und uns verbleiben noch zwei!
5. falsche Annahme:
Schon der erste Guide wirkte nicht sonderlich Kompetent, doch ich dachte es reicht vollkommen aus, wenn er uns den Weg weist.
Zumindest kennen wir jetzt den Weg und haben in etwa eine Vorstellung davon, wieviel Zeit wir benoetigen. Von unserem Guide erwarten wir nichts mehr. Der spricht ohnehin kein Wort mehr mit uns. Vor uns liegt die unangenehmste Etappe. Mittlerweile haben wir alle die Nuetzllichkeit eines Wanderstocks erkannt. Er erleich- tert den Abstieg, gibt halt bei Flussdurchquerungen und rutschigen Partien. Der Weg scheint sich verdoppelt zu haben, denn trotz des einfacheren Abstiegs erreichen wir das naechste Camp erst in den fruehen Abendstunden. Zeit fuer ein Bad. Heute konnte ich mich teilweise sogar selbst nicht mehr riechen :-) Meine Klamotten habe ich schon seit dem zweiten Tag nicht mehr gewechselt, da sie ohnehin nach fuenf Minuten wieder vor Naesse triefen. Der erste Abend ohne Regen. Zeit, in Ruhe das Nachtlager aufzuschlagen und unsere Blessuren zu verarzten. Yann, Jack und ich haben uns mittlerweile als Team sehr gut eingespielt. Jeder traegt, seinen Teil zum Wohl der Gruppe bei und hilft, wo es ihm moeglich ist. Ich bin froh die beiden an meiner Seite zu haben.

Tag 6
Mit dem ersten Tageslicht stehen wir auf, verzichten auf Kaffee und lassen das Fruehstueck aus. Ein paar Kekse, dass muss fuers erste reichen. Wenn alles klappt ueberspringen wir heute ein Camp und erreichen noch vor Dunkelheit den Ausgangspunkt, von wo aus uns ein Boot abholen sollte. Dieser Tag ist anders. Es ist still. Keiner spricht. Alles, was heute zaehlt, ist rechtzeitig unser Ziel zu erreichen. So schreiten wir, jeder fuer sich, des Weges. Es ist die Etappe, bei der wir auf dem Hinweg vier Mal den Fluss durchaqueren mussten und ich Yann gegenueber die Vermutung aeusserte, dass es vielleicht dem Zweck diene, uns langsamer zu machen und tatsaechlich. Auf dem Rueckweg mussten wir nicht durch einen Fluss. Ich stelle Midi nicht zur Rede. Warum, weiss ich nicht? Vielleicht war ich zu muede, vielleicht fehlte mir auch einfach die Kraft. Sonst staendig der Langsamste, bin ich bereit eienen Zahn zusulegen, doch zu meiner Erschuetterung bricht Jack vollkommen ein. Er sieht schlimm aus. Der Rotz laeuft ihm aus der Nase und Speichel aus dem Mund. Wir muessen viele Pause einlegen. Die Pausen tuen mir nicht gut. Auch bei beginnen sich mehr und mehr Probleme einzustellen. Ab hier beginnt die Tour zum Hoellentrip zu werden. Jack kaempft tapfer um jeden Meter, Yann spricht nicht mehr mit den Tieren und bei mir erweitern sich die Knieschmerzen zusaetzlich um Probleme mit dem rechten Fussgelenk. Midi sehen wir die meisste Zeit des Tages nicht. Daemmerung setzt ein. Der Weg nimmt schier keine Ende. Ich fange schon an zu glauben, dass wir uns im Kreis bewegen. Alles sieht gleich aus.
6. falsche Annahme:
Die Rucksaecke werden mit dem Aufbrauchen der Lebensmittel nicht leichter, sondern vollgesogen mit Schweiss und Wasser gar um ein vielfaches schwerer.
Der Boden wird sandiger und Felsiger. Ein gutes Zeichen. Dann der erste kleine Bach, schliesslich der Flusslauf, der zum Ausgangspunkt fuehrt. Um meinen Fuessen Kuehlung zu verschaffen, stelle ich mich mit den Schuhen ins Wasser, doch statt Erfrischung, beginnen sie fuerchterlich zu brennen. Die folgenden Schritte fuehlen sich an, als wuerde ich barfus auf einen Teppich aus Reiszwecken laufen. Unglaeubig vergewissern wir uns waehrend einer kleinen Pause bei Midi mehrmals, ob wirklich ein Boot auf uns wartet.  Er bejaht dies und bei einsetzendem Regen, setzen wir den Weg fort. Einen letzten Fluss gilt es zu bezwingen,
jedoch unter erscherten Bedingungen. Zunehmende Dunkelheit, stroemender Regen, ein Blitz schlaegt nicht weit von uns mit Ohrenbetaeubendem Laerm ein. Wir stehen wohlbemerkt huefttief im Wasser. Unseren Guide kuemmert all dies nicht. Stattdessen rennt er uns davon. Wir haben alle Muehe, den richtigen Weg durchs Wasser zu finden. Endlich wieder festen Boden unter den Fuessen. Es ist dunkel geworden. An Seilen tasten wir uns einen schlammigen Berghang entlang. Meinen rechten Fuss kann ich nicht mehr belasten und falle deshalbt weit zurueck. Zum zweiten Mal, nach Besteigung des sechstausenders in Bolivien, erreiche ich einen Punkt, an ich nicht mehr weiter moechte. Irgendwie geht es dann doch. Ich treffe wieder auf die
anderen. Midi ist verschwunden. Erst am Ausgangspunkt, einem Kiesbett am Flussufer, ca. eine viertel Stunde spaeter treffen wir ihn wieder. Keiner weiss was los ist. Dann ist es sicher. Das Boot ist schon weg. 12 Stunden sind wir nun unterwegs gewesen. 12 Stunden ohne Essen, wieder einmal zu wenig Wasser und vielen Schmerzen. Jack sitzt teilnamslos auf seinem Rucksack. Yann und ich schaffen es irgendwie noch einmal das Zelt aufzubauen. Dem einzigen, dem es gut geht, ist Midi. Er sitzt bereits unter seiner Plane und kocht sich etwas zu Essen. Keine Anstalten uns zu helfen. Im Gegenteil. Er macht uns noch dafuer verantwortlich, das Boot verpasst zu haben. Eines ist uns schon lange sicher, wenn wir zurueck sind, werden wir mit der
Nationalparkaufsicht sprechen und dann wird ihm das Grinsen schon vergehen. Mit wirklich letzter Kraft schleppen wir uns schliesslich ins Zelt. Wir sehen aus, wie nach einer Schlacht. Wegen der Blutegel sind die Beine blutueberstroemt. 6 Tage sind wir in nassen Schuhen gelaufen. Die Fuesse sind an manchen Stellen offen und sondernd eine eitrige Flussigkeit ab. Trotzdem haben wir unser Lachen zurueck gewonnen. Wir sind am Ziel. Schlafen koennen wir alle nicht, so unterhalten wir uns bis zum Morgengrauen.

Tag 7
Wie drei begossene Pudel sitzten wir auf einem Baumstamm und kochen ein letztes Mal Wasser fuer unseren allmorgentlichen

Instant Kaffee. Ich mache ein “Nachher Foto” von uns dreien und schliesslich ertoent der Motor des lang ersehnten, rettenden Bootes. Der Trip ist zu Ende.

Die Einzelheiten ueber den Ablauf beim Einlegen einer Beschwerde, erspare ich euch. Nur soviel dazu. Midi ist das Lachen ganz schnell vergangen, wir haben einen Teil unseres Geldes zurueck bekommen und wenn man der Parkbehoerde Glauben schenken mag, wird dieser Guide keine Tour mehr leiten.
Was wir erst hier erfahren haben ist, dass dies seine erste Tour war. Ueber sein wiederspruechliches Verhalten, sind wir im Unklaren geblieben. Erst versuchte er uns langsamer zu machen, wir dachten erst, er wolle gar nicht bis zum Gipfel, dann ist er sauer, als wir abbrechen und am Ende beschwert er sich noch, dass wir ihm (seiner Gruppe wohlbemerkt) zu langsam gewesen seien.

Fazit:

Eine Tour, die normalerweise gut machbar ist, wurde Dank unseres Guides zur Tortour.
Es soll wohl Tiger und wilde Elefanten hie im Dschungel geben, gesehen haben wir aber nur Bienen, Schmetterlinge, eienen Scorpion und vor allem Blutegel.
Wenn auch auf schmerzliche Art und Weise, bin ich um einige Erkenntnisse reicher.
Auch wenn der Preis, wie sich erst spaeter rausstellen wird, hoch war, bin ich hier endlich mal wieder an meine koerperlichen und geistigen Grenzen gestossen. Diese Tour werde ich so schnell nicht mehr vergessen.
Drei Menschen, die sich zuvor voellig fremd waren, verbringen eine Woche, unter grossem Stress, mehr oder weniger auf sich alleine gestellt, im Dschungel miteinander, ohne sich auch nur im Geringsten zu streiten. Nicht ein boeses Wort, noch nicht einmal eine missfaelllige Aeusserung. Ich bin froh, dass ich Yann und Jack auf diesem Wege kennenlernen durfte.

Tags: ,

2 Antworten zu “Taman Negara “Die Grüne Hölle””

  1. Jeanne sagt:

    Wow…. bin platt. Wie kann man nur so schön und so plastisch schreiben…Nicolas, ich bin tief beeindruckt. Ich bin praktisch mit dabei gewesen, wenn ich dass lese… Danke dafür.

  2. flacko sagt:

    Bin ebenfalls geplättet!!!

    Der Speichel von Blutegeln soll übrigens schmerzlindernd wirken :)

    Pass auf dich auf!
    Bis bald

Hinterlasse eine Antwort